Zehn Jahre »Charles-Louis de Montesquieu: Meine Reisen in Deutschland 1728-1729« in der Übersetzung von Hans W. Schumacher

Vor nunmehr zehn Jahren erschien bei Klett-Cotta, herausgegeben von Jürgen Overhoff, die Reisebeschreibung Charles-Louis de Montesquieus in der Übersetzung von Hans W. Schumacher: »Charles-Louis de Montesquieu: Meine Reisen in Deutschland 1728-1729«. Beim Verlag ist die Publikation, die zwei Auflagen erlebte, mittlerweile vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.

Aus der Reihe der zur Veröffentlichung erschienenen Rezensionen (Bild am Kopf der Seite: die im Spiegel Ausgabe 39/2014 erschienene Besprechung) ein Auszug aus der Buchbesprechung von Gustav Seibt, erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 21. 3. 2015:

(…) Die elegant übersetzte Auswahl ist eine amüsante Lektüre. Spaß macht Montesquieus aphoristische, dabei nie respektlose Ironie: Der Herzog von Braunschweig „ist 67 oder 68 Jahre alt, aber er sieht jünger als zwanzig aus. Er ist von überraschender Höflichkeit und Leutseligkeit. Er lebt auf ziemlich großem Fuß. Er hat ein goldenes Service. Er lässt ein Schloss bauen, das nicht hässlich sein wird.“ Von solchen Vignetten sind diese Berichte voll. Bewundernswert aber ist das Gespür des französischen Aristokraten für ein Unheil, das sich in der Nordostecke des verschachtelten Reichs anbahnt: Dort regieren sonderbare, cholerische Monarchen, die sich wie Grenadiere fühlen und deren einzige Freude im Besitz übergroßer Soldaten besteht, der König von Preußen und sein Kumpel, der Fürst von Anhalt. In seiner Ahnung, dass dies zu nichts Gutem führen könne, erweist sich Montesquieu als Diagnostiker der Zusammenhänge von innerer Verfassung und äußerem Staatengleichgewicht: Es war Preußen, das die alte „Bundesrepublik Deutschland“ langfristig zerstören sollte. Und das europäische Verfassungskonzert wurde fünfzig Jahre später unterbrochen, als der französische Sonderweg der Revolution mit brutaler Gewalt nach Deutschland getragen wurde. Aber da war der kluge Montesquieu längst tot. (…)